Frauke Boggasch + Adrian Lohmüller:
Die Braut spricht (Society of Sweaty Palms)
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Die in vielen lasierenden Schichten gemalten, düster romantisch anmutenden Bilder von Frauke Boggasch
sind konzeptuell und zuallererst eine Auseinandersetzung mit klassischen Fragen der Malerei. In den
Lasuren verbirgt sie das Wissen um die Bedingtheit der Malerei, Vorbilder, Konfrontationen und
Anspielungen sind kaum oder gar nicht mehr sichtbar. Diesen Schichten und Geschichten tritt das fertige
Bild gegenüber, das an der Oberfläche pastose Aufträge zeigt und fast manisch durchgearbeitet erscheint.
Ganz im Sinne der romantischen Ironie bricht Boggasch diese Manie, sie ist ebenso eine trotzige Selbst-
behauptung der Malerei in der Jetzt-Zeit, als sie auch auf sich selbst als Topos des antibürgerlichen
Künstlergenius verweist.
Das Ringen um die eigene Form ist für Boggasch notwendigerweise Konsequenz aus dem Wissen um
die Tradition und die Formensprache der Moderne, dem sie gleichzeitig – als Nachgeborene – individuelle
Haltung und Unmittelbarkeit entgegensetzen muss und will.
Emotion, Mystik und Pathos stehen in Boggaschs Werk stets Reflexion, Bewusstsein, Überspitzung,
Hinweise auf den Illusionscharakter oder den Rezeptionsvorgang zur Seite. Letzteren, intellektuellen Part
bringt Boggasch in ihren Gemälden, wenn überhaupt, dann nur dezent zum Einsatz. Lieber noch weist sie
ihm den Platz neben dem Bild zu und lagert diesen aus, in Einladungskarten, fotografische Selbstportraits
oder Titel. So gelingt ihr eine unbeschwerte Betonung der ironischen Bedingtheit und unterstreicht damit die
Authentizität von beidem, Spontanität und Berechnung, Gefühl und Denken, Leben und Geschichte.
Adrian Lohmüller zeigt bei Cruise & Callas fünf Zeichnungen und bespielt mit seiner Installation „Die Braut
spricht“ den großen Keller der Galerie. Bezeichnenderweise tritt man in diesen hinab, unter die Ebene der
Straße, und sieht dort zunächst einen Tisch, bedeckt mit einem rot karierten Tischtuch, deren Ende sich
hineinzieht in oder herauskommt aus den von Lohmüller freigelegten Fugen eines Steines in der
Backsteinmauer. Dahinter türmt sich eine Apparatur aus mit Wasser befüllten Behältern und Rohrleitungen.
Stetig tropft, zum Teil durch einen Gasbrenner erhitzt, in kleiner, nahegelegt potenzierter Dosis, Flüssigkeit
aus dem System heraus auf einen Salzstein, fließt von dort in ein Federbett und Kissen und benetzt im
weiteren Fluss nicht nur den Boden mit Wasser und Salzkristallen sondern befeuchtet den ganzen Raum.
„Die Braut spricht“ deutet die Stationen eines Liebesspiels an – vom romantischen Tête-à-tête über den
Liebesakt bis hin zur sanften Bettung einer aus dem Liebesspiel extrahierten Essenz. Sich auflösende
Gegensätze wie Haut und Zement, Trennung und Durchdringung, das leckschlagende geschlossene
System, ewig versiegelte Oberfläche und deren (ewige) Aufschneidung, die Frage nach „Wer ist Mann, wer
ist Frau?“, das Dilemma des Einzelnen in der Gesellschaft bilden den Mittelpunkt von Lohmüllers Interesse.
Wie in vielen seiner Arbeiten findet sich auch im Zentrum dieser Installation der positiv aufgefasste
epidemische Ausfall des Privaten und der Sexualität, der auf der Suche nach Nischen der Intimität die
Versiegelung des öffentlichen Raums immer wieder und unaufhaltsam in animalischem Drang durchlöchert.
Den brodelnden Druck gibt Lohmüller dabei keineswegs der Plakativität preis, im Gegenteil: Sein Fokus liegt
auf der Schaffung einer intimen und warmen Atmosphäre, die den politischen Impetus seiner Arbeit subtil vor
dem Individuellen und Menschlichen zurücktreten lässt.
english version
The pictures of Frauke Boggasch, painted in many glazed layers and sombrely romantic appearing, are
conceptual and above all a confrontation with classic questions on painting. In the glazes she buries the
knowledge of painting’s conditions. Archetypes, confrontations and allusions are hardly or not at all visible
anymore. These layers and histories face up against the completed picture, which on the surface display
impasto application and appear almost manically worked. Boggasch employs this mania solely for the purpose
of romantic irony, she is in the same way stubbornly asserting painting in the present time, referring
to herself as a topos of anti-bourgeois artist-genius.
The stuggle for one’s own form is for Boggasch necessarily a consequence of the knowledge of tradition
and the formal language of the modern, which she simultaneously – as a late follower – wishes, and is
obliged, to counter with an individual outlook and directness.
Emotion, mysticism and pathos are always, in Boggasch’s work, reflection, consciousness, exaggeration,
hints as to the illusionistic character or the reading of the page. Lastly, if Boggasch is to bring an intellectual
aspect into her paintings, then it is only as a discreet insertion. She would rather apportion the space
next to the painting, and outsource these elements to the invite cards, photographic self-portraits or titles.
In this way she achieves her carefree tone of ironic conditionality and in doing so underlines the authenticity
of both spontaneity and calculation, feeling and thought, life and history.
Adrian Lohmüller is showing five drawings at Cruise & Callas and with his “Die Braut Spricht” (“The
Bride Speaks”) is staging an installation in the gallery’s cellar. Tellingly, the viewer steps down into this
piece, below ground level, and first of all sees a table, covered with a red chequered table cloth, the end of
which is pulled in, or out from, behind a brick in the wall that has been exposed by the artist. Behind this is
piled up apparatus of containers filled with water and piping. Fluid, in part heated by a gas burner, in small,
suggestively multiplied doses, drips continually out of the system onto a salt rock, flowing from there into
a feather duvet and pillows, not only moistening the floor with water and salt crystals as it flows on, but
dampening the whole room.
“Die Braut Spricht” suggests the stages of a love play – from a romantic tête-à-tête, to the act of love, and
on to the gentle laying down of the extracted essence of one of the love-players. Dissolving contrasts such
as skin and cement, separation and penetration, the pierced and closed system, the eternally sealed surface
and its (eternal) cutting open, the question of “who is man, who is woman?” and the dilemma of the
individual in society form Lohmüller’s central concern.
As in many of his works, in the core of this installation can be found the positively epidemic loss of privacy
and sexuality, which, in search of intimacy’s recesses, is inexorably and ever more undermined in animalistic
urges by the closing off of public space. Lohmüller reveals nothing of the simmering pressure; on the
contrary: his focus lies on the creation of an intimate and warm atmosphere, which subtly has the political
impetus of his work take second place behind the individual and human.